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  Archiv · Nr. 2 · 1. Jhg. · 29. April 1998

Archiv / Ausgabe 2 / Leute

Wer bist Du
Marcus?

Weil es uns doch interessiert, wer außer uns noch so auf dem Campus rumrennt, haben wir uns überlegt, für jede Ausgabe eineN Studi zu überraschen und sie zu interviewen, ihn zu befragen, was sie sonst so treibt, woher er kommt, welche Musik sie mag und was seine Lieblingsfarbe ist, also all das, was man sonst erzählt und fragt, wenn man einen neuen Menschen kennenlernt.
Darüber hinaus werden wir auch versuchen, zu den interessanteren Fragen vorzudringen, also zu denen, die man eigentlich nie fragt oder nur dann, wenn man jemanden schon länger kennt. Hier können Geheimnisse gelüftet, Flüche losgelassen, Gedichte niedergeschrieben oder Bilder gemalt werden; mit einem Wort: all das, was den Leserinnen und Lesern einen Eindruck vermitteln kann, wer denn das ist.

Wie heißt Du?
Ich heiß Marcus Wadehn.
Bist Du katholisch?
Ja.
Warum?
Auf ‘m Papier, weil ich getauft worden bin mit sechs Jahren.
Mit sechs Jahren? Wie ungewöhnlich!
Ja schon, aber ich denke mal meine Eltern haben sich gesagt: „Einmal taufen - alle Brüder zusammen". Das heißt also wir waren vier Kinder und (nuschelt unverständlich ins Diktiergerät...)
Also Du kommst aus Schwaben, weil Deine Eltern sehr sparsam sind, wenn man alle vier Kinder gleichzeitig tauft, braucht man nur ein Fest zu machen...
Eigentlich nicht, weil ich komme aus dem Ruhrgebiet aber irgendwas ist damals passiert.
Du kommst aus dem Ruhrgebiet, da ist ja nun die SPD sehr stark, hast Du mit der was am Hut?
(resigniert) Ja, das hab ich, ja.
Was hast Du mit der am Hut? Wählst Du sie, oder bist Du Mitglied?
(überzeugt) Ich bin Mitglied, ja!
Aha, also ein dumpfbackener Juso? [der Interviewer ist doch auch ein „dumpfbackener Juso", die Säzzerin)
(überlegt lange) Nicht dumpfbacken, aber Juso.
Und du findest Andrea Nahles, die Juso-Vorsitzende, nicht irgendwie zu kreischig?
ähm - kreischig, das kommt immer darauf an, ich halte mich eigentlich nicht unbedingt an die Arbeit der Jusos, weil - (überlegt noch länger) ich meine ich kenne jetzt diese Andrea nicht persönlich, weil ich mit den Jusos nicht viel am Hut habe, noch nicht. Aber wenn’s die Zeit irgendwie geben wird, würde ich das schon machen. Weil ich bin noch ein relativ neues Mitglied der SPD, ich möchte mich halt politisch engagieren. Aber ob ich das im Rahmen der Jusos mache, weiß ich noch nicht.
Und warum bei der SPD?
Weil die die Politik vertritt, die in meinen Augen die Richtige ist.
Und du hast keine Probleme mit den historischen Verfehlungen, derer sich die Sozialdemokratie ganz zweifellos schuldig gemacht hat?
Wieso „zweifellos"? Das würd’ ich nicht unbedingt sagen, weil es gibt genug Parteien, das soll jetzt nicht weggeschoben werden, aber es gibt glaube ich überhaupt keine Partei, die nicht irgendwelche Mancken in ihrer Vergangenheit hat, aber ich identifiziere mich nicht mit der Partei von damals, [von 1998, als der große Lauschangriff mit Unterstützung der SPD im Grundgesetz verankert wurde, die Säzzerin] sondern mit der Partei von heute, obwohl ich auch überhaupt nicht sehe, wo die Partei große Mancken gehabt hat.
Die Partei von heute hat Schröder vor kurzem zum Kanzlerkandidaten gemacht, Schröder ist ein Automann, ist das nicht eher eine rückwärtsgewante Politik?Mensa
Nein, bestimmt nicht, weil - Schröder wird die Politik umsetzten, die die SPD will, davon bin ich überzeugt. Ich glaub nicht, daß er ein Mann ist, der seinen eigenen Kopf unbedingt durchsetzten will. Das wäre auch ein Fehler, weil dann würde es wie man so schön in den Medien immer sagt ein Rückschritt werden, obwohl ich das garnicht glauben will. Weil, die Sachen, die die Bundesregierung bis jetzt gemacht hat, waren ja keine Fortschritte, sondern Schritte in die verkehrte Richtung und die Schritte, die die SPD machen will, sind einfach Schritte in eine andere Richtung. Sind aber keinesfalls Rückschritte.
OK, zurück zu Dir, bist Du Biertrinker?
(verdutzt) Ja, ab und zu schon?
Welche Marke präferierst Du?
Also ich liebe Veltins.
Hat das was mit Deiner Herkunft zu tun?
Nein absolut nicht. Bei einer Marktwerbeveranstaltung in irgend einem Kaufladen wurde mir eine Flasche Veltins geschenkt. Hat nix mit Schalke und nix mit mit meiner Herkunft zu tun.
Du bist also schon ein Typ, der durch Werbung beeinflußbar ist?
Würd’ ich nicht sagen, weil dieses Produkt habe ich ja nicht deshalb genommen, weil mir irgendwelche Werbeaktionen gefallen haben, sondern einfach nur, weil ich die Flasche trinken konnte und mir das Bier sehr gut geschmeckt hat. Ich hab’ Veltins bis dato noch nicht gekannt.
Wer wird deutscher Fußballmeister in dieser Saison?
Also ich bin eindeutig dafür, daß es Kaiserslautern wird. Ich bin kein Bayerngegner, aber grade bei Bayern merkt man, was für ein Geschäft Fußball mittlerweile geworden ist und außerdem ist es mal ‘ne Sensation, wenn ein Aufsteiger aus der zweiten Bundesliga direkt Deutscher Meister wird. Und ich gönn’s dem Otto Rehagel.
[an dieser Stelle folg ein Geplänkel über Fußball im Allgemeinen und Besonderen, was wir nicht für Wert befunden haben, es hier zu dokumentieren.]
Ok, Du hast noch drei Brüder, lastet die Verantwortung der älteste zu sein schwer auf Dir?
Die sind alle erwachsen. Vielleicht hat die Verantwortung ja früher mal auf mich gelastet.
Hast Du Dir nicht irgendwann mal eine Schwester gewünscht?
Was bringt mir das Wünschen? Ich hab’ keine!
Ja, aber träumen darf man doch!?
Ich träume von vielen Dingen, die leider nicht wirklich werden.
Also auch von einer Schwester?
Ich sag’ ja, ich träume von vielem, von manchem aber auch nicht. Was ist, ist, man sollte damit zufrieden sein.
Wie alt ist Deine Mutter?
Die kann keine Kinder mehr bekommen, es wird aus meinem Traum nichts mehr, wenn es ein Traum sein sollte.
(lacht) Gut, Du hast den Hintergrund der Frage erkannt. Ein Lob!
Dichtest Du gerne?
Ich schreibe Songtexte.
Hast Du mir gerade ein paar Zeilen im Kopf da?
(überlegt lang, länger) Nein, glaube ich nicht. Fällt mir jetzt nichts ein, was ich zusammenhängend irgendwie - 
Also schreibst Du nur Scheißtexte?
Nein, nein..
Oder Du hast Sie g’rad nicht im Kopf?
Ich kann sie mir einfach nicht merken.
Und so im Geldbeutel den wichtigsten Text mitführen tust Du auch nicht?
Nein.
Schade eigentlich, ‘ne? Oder möchtest Du für unsere Leserinnen und Leser g’rad was zeichnen?
(vehemennt) Nein!
Also Du lehnst es kategorisch ab, unseren LeserInnen mehr als Dein geschriebenes Wort zur Verfügung zu stellen?
(bestimmt) Wenn Sie mehr wollen, sollen sie zu mir kommen.
Mhm, wo kann man Dich erreichen?
überall an der FH.
Ja gut, das Bild steht ja nebenan. Treibst Du Sport?
Nein, nicht mehr.
Trägst Du Feinrippunterhosen?
Nein.
Warum nicht?
Weiß nicht, ich hab’ keine.
Ich bedanke mich für dieses aufschlußreiche Gespräch.


 
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